Sonntag, 7. Juni 2009

Und so sieht es aus:

Was soll ich sagen. Lange ist es her, dass Ihr von mir gehört habt und viel ist passiert. Ich möchte die letzte Zeit als sehr intensiv beschreiben. Viele Dinge hatten ihren Höhepunkt und sehr viel ist parallel, überlappend und schleppend von statten gegangen. Um den Artikel lesbar zu halten, werde ich nur versuchen einen Überblick zu schaffen ohne zu oft ins Detail zu rutschen. 

Ein zusätzlicher Faktor der alles ein bisschen stressiger macht ist das Ende. Es ist seit einigen Wochen erstmals greifbar. Zum ersten Mal muss man sich ernsthaft damit auseinandersetzen. Krankenkassenwechsel, Gestaltung des Schlussseminarprogrammes und sogar das Buchen des Zugtickets gen Heimat sind da nur oberflächige Dinge. Was ich vor Allem meine sind Prozesse, Gedankengänge, Entscheidungsfindungen und Arbeitsalltag jeweils auf einer Art Gipfel zu sehen. 


Betrachten wir letzteres. Mit meinen älteren Damen ist ein solches Vertrauensverhältnis entstanden, dass es außerhalb meiner Vorstellungskraft liegt, mir ein Leben ohne die montaglichen Besuche bei „meiner Lotte“ oder die immer wiederkehrenden Fragen von Edith vorzustellen. Jetzt kennt man sich. 

Auch in der Schule fühle ich mich wie gehabt wohl. Nein, eigentlich ist es mehr als das. Es fühlt sich wie ein richtiger Beruf an. Man hat seine Aufgabenbereiche, die man mittlerweile beherrscht und seine Verantwortung. Auch sprachlich ist die Schule ein recht„sicherer“ Ort geworden. Ich habe längst angefangen meine Sprachkenntnisse in die in der Schule und die auf der Straße einzuteilen. Denn das ist ein Phänomen. In der Schule kann ich das meiste auf Hebräisch erledigen und selten ist meine insgesamt immernoch beschränkte Sprachkenntnis noch wirklich ein Problem. Werde ich aber auf der Straße angesprochen, so muss ich zugeben einen sehr viel höheren Prozentsatz nicht zu verstehen. Das Schuljahr neigt sich seinem Ende am 31.Juni zu und so muss ich mir jetzt schon, lange vor Arbeitsende (es folgt eine Art Sommerlager in der Schule mit Ausflügen und nicht allen Schülern) selbst und auch in vielen Besprechungen und Konferenzen die Frage stellen, was ich und vor allem wie ich es gemacht habe. 


Mir Fragen zu stellen scheint eh einer meiner Lieblingsbeschäftigungen geworden zu sein. In vielerlei Hinsicht merke ich doch jetzt, wie die Entfernung zu meinem gewohnten Umfeld seine Wirkung zeigt. In der Selbstreflektion und Entscheidungsfindung ist man sehr viel losgelöster von alten Schemen, was das Ganze nicht unbedingt leichter macht. So war es doch ein langer Weg zu meiner Studienbewerbung und gerade im Bezug auf sie habe ich dem Jahr sehr viel zu verdanken. Der Kontakt zu Botschaftsmitarbeitern und Treffen mit verschiedenen Politikern und Amtsträgern auf der einen Seite und soziale Arbeit, mit Menschen zu tun zu haben und der teils intensive Kontakt zu ihnen und Leuten, die durch ihren Einsatz viel helfen auf der anderen. Vor dem Jahr hätte ich gerne zu der ersten Seite gezählt, dann wollte ich was dazwischen und mittlerweile habe ich den Wunsch was für die zweite Seite zu tun. Ich habe gemerkt, dass ich vor Ort sein möchte. Direkt der Ansprechpartner zu sein und nicht nur mit Zeitdruck Menschen begegnen zu können. Nicht dass ich von der anderen Seite ein schlechteres Bild habe als zuvor, von zwei Seiten zu sprechen mag da auch vielleicht etwas missverständlich auf Euch wirken, doch glaube ich, dass ich besser im direkten Kontakt mit Menschen aufgehoben bin. Und so wanderte mein Studienwunsch von Jura/Völkerrecht über reine Politikwissenschaft hin zu Politikwissenschaft in einer sinnvollen und anwendbaren Kombination. Ob mit Soziologie, Religionswissenschaft oder einem anderen Fach. Was genau ich damit machen werde weiß ich noch nicht, kann ich auch gar nicht wissen, ja, dass muss ich auch noch gar nicht wissen. Man sollte sich auch nicht zu sehr von Erfolgsaussichten steuern lassen. Das ganze hat mich sehr viel Zeit und Kraft gekostet, bis es dann zum heutigen Tag kam und ich die Bewerbung losschickte. Aber genug davon.


Auch meine „regionalen“ Reiseunternehmen hatten sicherlich ihren Höhepunkt. Zu Passah bin ich mit Teo und Simon, zwei Mitfreiwilligen, in den Norden Israels um ihn mit einer Kombination aus Bussen, Trampen und Laufen zu erkunden. Mit Rucksäcken bewaffnet Zogen wir etwa vier Tage durch die Gegend, immer mit dem Auge für den perfekten Schlafplatz oder einem Laden, der trotz Passah Bier verkauft. Letzteres war bis auf eine Ausnahme erfolglos. Ersteres umso mehr. Und so schliefen wir auf mit Butterblumen überzogenen Hügeln, an kleinen Sandstränden der Quellbäche und auch in mitten von Panoramahotels mit Blick auf den See Genezareth stand unser Zelt. Danach ging es nach Jordanien über Beit Scheán haben wir die Grenze passiert um von dort mit dem witzigsten Taxifahrer meines Lebens in die Hauptstadt Amman zu gelangen. Dort haben wir sehr eindrucksvoll das friedliche und entspannte muslimische Leben sehen dürfen und viele interessante aber auch interessierte Menschen getroffen. Nach dieser Erfahrung von Gastfreundschaft der Gegensatz Petra. Um das Weltwunder kommt man bei einer Jordanienreise nun mal nicht herum und so verschlug es auch uns nach zwei Nächten Amman zur weltberühmten Felsenstadt. Noch im Eindruck des Straßen- und Menschenbildes Ammans waren wir dann aber so von den hypertouristischen Ausmaßen dieses winzigen Dorfes geschockt, dass es uns trotz des wunderbaren Anblicks des Indianer Jones Drehortes nicht lange dort hielt. Mit den letzen paar Dinar in unserer Tasche, einem Trampgeschäft und einem kurzen Halt in Aquaba sind wir nach Eilat und somit zurück nach Israel gefahren. Eine Nacht und ein sonnenreicher Strandtag am Roten Meer und weiter nach Tel Aviv, um Simons Geburtstag gebührend zu feiern. Eine lange Fete und ein weiterer Strandtag, diesmal am Mittelmeer, bis wir dann endlich im Bus Richtung Heimat, Richtung Jerusalem saßen. Denn die Woche hatte nicht nur im Bereich Gesichtsbehaarung ihre Spuren hinterlassen.
Nun habe ich aber bewusst „regional“ geschrieben um einen anderen Urlaub auszuklammern. Ich werde nämlich Anfang Juli für 18 Tage nach Amerika fliegen. Ein Besuch zweier Mitfreiwilligen brachte uns auf die Idee uns wiederzutreffen. Und so fliege ich mit Berni, der in Frankreich volontiert, nach Camden-New Jersey, wo Alisa ihre Dienste tut. Durch das Netzwerk der Freiwilligen und einen weiteren Bekannten, werde ich in Boston Philadelphia, Camden und New York Sofas beziehen dürfen und hoffentlich viel vom Land kennen lernen. 

Auch ein weiterer Besuch hierher steht an, denn Walter und Felix haben sich angekündigt. Die beiden bleiben 10 Tage und werden mich schon überzeugen können wieder an den Niederrhein zu kommen.

Es gibt im Moment einfach so viel, ja zu viel zu berichten, so dass ich gar nicht dazu komme oder keinen Kopf dafür habe.


Ich melde mich aber bald wieder und kann dann auch Bilder vom Jordanienurlaub liefern,

Euer Julius

Mittwoch, 25. März 2009

Für rot sehe ich schwarz

Die Avoda, israelische Arbeiterpartei, ist sicherlich das Sorgenkind vieler nicht nur linksgerichteter Seelen im Heiligen Land. Sie scheint aus den letzten zehn Jahren nicht lernen zu wollen. Allen voran ihr Vorsitzender Ehud Barak scheint vor lauter Regierungslust die Grundsätze des sozialistischen Ursprungs zu verlieren. Namen wie David Ben-Gurion und Yitzhak Rabin scheinen vergessen zu sein. Trotz stetigem Wählerrückgang kann man sich nicht mit einer Oppositionsaufgabe zufrieden geben. Natürlich ist die Avoda auch Opfer des allgemeinen Rechtsruckes geworden, der auch andere Parteien wie die friedliche Meretz getroffen hat, doch hat sie sich auch viel selber anzukreiden.

Nun ist also seit gestern Abend sicher, dass auch in der 18. Knesset die Avoda auf der Regierungsbank sitzt. Barak warb beim entscheidenden Parteitag um die Zustimmung in seiner Partei und erhielt die ausreichende Mehrheit von 57%. Man geht also mit dem Likud und sogar mit der ultrarechten Partei Israel Beitanu (unser Haus Israel) eine Koalition ein. Ein Bündnis mit araberfeindlichen Parteien, die durch ihre strikte Ablehnung einer Zweistaatenlösung den Friedensprozess im Nahen Osten stören. Dieser Wortbruch gegenüber den Wahlkampfslogans wird zu weiterem Vertrauensverlust in der Bevölkerung führen. Dazu wird es in der kommenden Legislaturperiode als nur drittstärkste der vier Koalitionspartner schwierig werden Profil zu zeigen und Akzente zu setzen. 

Fest steht bereits, dass Herr Barak ein weiteres Mal den Verteidigungsminister geben wird. Dafür hat er allerdings im Wahlkampf geworben. Doch eher an der Seite von Zipi Livnis Kadima, die trotz der meisten Sitze nicht zur Regierungsbildung beauftragt wurde und ein Bündnis unter Benjamin Netanjahu ablehnte. Das lässt doch viele kritische Stimmen wach werden. Verkauft da jemand seine Partei für seinen persönlichen Lieblingsposten? Auf dem gestrigen Sonderparteitag jedenfalls versuchte Barak vehement seinen über tausend anwesenden Parteigenossen von etwas anderem zu überzeugen. Man müsse das rechte Bündnis verhindern und durch den Beitritt in die Koalition versuchen diese zu neutralisieren. Das sei nur vernünftig. Die Frage ist nur wie sehr sich Barak gegen die beiden starken Männer Liebermann und Netanjahu durchsetzen kann. 

Viele hatten jedenfalls schon gehofft, dass sich die Avoda in einer starken Opposition zusammen mit der Kadima profilieren und neu finden und definieren kann. So glaube ich nicht, dass man dem Abwärtstrend entgegensteuern kann. Im Moment weiß jedenfalls keiner so richtig warum man noch für die ehemalige Stimme der Arbeiter wählen sollte. 

Julius

Montag, 23. März 2009

Nebenjob Tour-Guide

In den letzten Wochen war eine Menge Besuch bei uns in der Wohnung zu Gast. So kam Teos Mutter, meine Eltern, mein Großvater mit meinem Bruder und zwischendurch noch ehemalige Freiwillige mit Begleitung. Im Moment ist noch ein Freund von Teo da und Freitag kommen drei Freiwillige aus Belgien, Frankreich und den USA. Also wirklich eine Menge los.
Durch die Besuche habe ich die Stadt und das Land nochmal anders kennen gelernt. Praktische Dinge: ich weiß jetzt jedenfalls ungefähr, wie man sich hier mit einem Auto bewegt, ich kenne Öffnungszeiten von Kirchen und Museen und neue nette Kaffees und Restaurants. Außerdem war ich an vielen Orten an den ich vorher noch nie oder nicht lang genug war. 
Die meisten Gäste kommen mit dem selben Problem. Zu wenig Zeit für zu viele sehenswerte Dinge. Da muss man sich schon entscheiden. Die Frage die ich mir dann stellen muss ist, wie ich es schaffe Jerusalem und Israel so darzustellen wie ich es kennen gelernt habe. Mehr zu vermitteln als die Touristenattraktionen aussagen. Was ein erfolgreiches Model war, ist das Leben mit hier in der WG. Es ist zwar für alle Beteiligten immer etwas anstrengend, wenn noch zusätzliche Leute hier wohnen, doch ist es für die Beucher eine besondere Erfahrung. Man bekommt das Freiwilligenleben mit, geht normal in Supermärkte einkaufen und wohnt in Talpyot, was das Arbeiterviertel Jerusalems ist, dass man auf einer 0-8-15-Bustour niemals zu sehen bekommt. 
Eine zweite Sache sind die öffentlichen Verkehrsmittel, die auch eine Menge über dieses Land aussagen. In einem Bus kann man viel über die Mentalität, Kultur und das Aussehen einer Bevölkerung lernen. Die Mentalität bekommt man allerdings auch zu spüren, wenn man im Auto fährt! Auch habe ich gerne „meine“ Schule gezeigt, die zentraler Bestandteil meines Lebens hier ist. Um Gespräche mit Israelis zu haben eignen sich die alten Damen, die ich besuche, die neben einem Schabbesmahl, wenn man denn die Möglichkeit/Einladung hat, definitiv ein Highlight darstellen können.
Selbstverständlich gibt es auch richtiges „Sightseeing“ auf meiner Tour. In der Altstadt haben sich sogar schon ein paar Standardpfade herausgebildet.


Der Norden:
Im Norden findet man eine vollkommen andere Vegetation vor. Wo der Süden und Osten aus Wüste und die Mitte/Westen aus einer eher kargen Landschaft, die sich je nach Bewässerungslage darstellt, besteht, ist der Norden grün. An der libanesischen Grenze steht sogar eine Eiche, die einzige auf israelischen Boden.
Mit meinen Eltern bin ich mit einem Mietwagen gen Norden gefahren. Über Caesarea, eine Ausgrabungsstätte einer römischen Stadt direkt am Meer nördlich von Tel Aviv, und Nazareth mit einer der schönsten Kirchen, die ich je gesehen habe, sind wir nach Tiberias am See Genezareth (hierzulande Kineret) gelangt, wo wir in einem Kibbuz übernachtet haben. Am nächsten Tag folgte die Umrundung des Sees mit all seinen Kirchen zu bestimmten Ereignissen rund ums Neue Testament und die anschließende Rückfahrt in den Süden. Zurück nach Jerusalem nahmen wir die berühmte Route 90, die vom tiefen Norden an der jordanischen Grenze entlang bis nach Jericho geht. Dabei besichtigten wir mit Bavoir eine noch gut erhaltene und große Kreuzritterburg und etwas weiter südlich Ben She´an, eine weitere Ausgrabungsstätte aus römischen und byzantinischen Jahren. 

Es tat übrigens richtig gut mal wieder bekannte Gesichter von zu Hause zu sehen und wenn es dann noch die engsten Verwandten sind…was soll ich sagen!

Auf das der nächste Beitrag nicht so lange auf sich warten lässt,
Euer Julius

Dienstag, 20. Januar 2009

Von Hunden und Pazifismus

Auf der Straße treffe ich einen netten und uns gegenüber sehr offenen Nachbar. Er hat einen jungen Hund bei sich, den ich zuvor nie bei ihm sah und so fragte ich nach. Tatsächlich ist er neu und erst sieben Wochen alt. „Ist ein Guter“, versichert er mir und fährt vor, „Er beschützt mich“. Ich gucke ihn fragend an und so fängt er an zu erklären: „Er mag keine Araber.“ Meine Blicke werden wohl noch fragender, denn wieder fährt er nach wenigen Sekunden ohne ein Wort meinerseits fort, reduziert seine Stimme dabei allerdings auf ein Flüstern: „Da drüben sitzen drei. Als wir vorbei gingen, drehte er sich um und knurrte, er beschützt mich eben.“ Ich beuge mich zum Hund herunter: „Du kleiner Rassist!“ sage ich wohl wissend, dass ich wohl auch sein Herrchen damit meine und die Verniedlichung besser hätte weg lassen sollen. Nun schaut mich der Nachbar fragend an: „Man muss doch jetzt vorsichtig sein, nicht wahr?“

„Es ist doch immer das Gleiche“ stöhnt eine Arbeitskollegin am Morgen nachdem israelische Truppen in Gaza eine UN-Schule beschossen hatten in die Klasse stolpernd. Sie guckt mich an. „War ja klar, dass wir wieder als die Bösen dargestellt werden.“ Ich weise sie auf die vielen zivilen Opfer hin. „Die Hamas benutzt sie als Schutzschild, lagert Waffen in Kellern von Krankenhäusern. Was sollen wir denn machen? Aber dass die mal über die Raketen auf Sderot und Ashkelon schreiben, die nicht erst seit Kriegsanfang fliegen, kommt natürlich nicht in Frage.“ 

„Tausend Tote für nichts. Kinder und Frauen darunter. Das ist so unglaublich schrecklich. Warum das immer wieder passieren muss. Es führt ja doch zu nichts. Warum wir das nicht lernen. Ich verstehe das nicht, die Raketen fallen ja nicht seit gestern auf Sderot!“ erwidert mir ein Lehrer meiner Schule auf einer Busfahrt meine Frage nach seiner Meinung.

Ich sitze mit einer befreundeten Studentin bei einem Bierchen. „Viele Israelis denken so: „Die Palästinenser im Gaza unterstützen nun mal die Hamas und diese kämpft mit unfairen Mitteln, was zu dadurch notwendigen Angriffen auf Schulen oder Krankenhäuser, vielen zivilen Opfern und letztlich auch zur humanitär schlechten Lage führt.“, was natürlich absoluter Blödsinn ist!“ erklärt sie mir. 

Das nur einige Stimmen aus meinem Umfeld.

Nicht leicht, mich im Moment den Fragen aus Deutschland zu stellen. Natürlich, die Bilder sprechen Wände. Kinder in Not und Todesangst, noch vom Zittern der letzten Angriffe erfasst, verletzt oder wegen des Verlustes eines Geliebten in von Trauer gelähmt. Bis jetzt weit über 1000 Tote und unzählige Verletzte. Jetzt ist eine Waffenruhe zustande gekommen. Eine die hoffentlich konstruktiv und nicht von beiden Seiten nur zum Lecken der eigenen Wunden genutzt wird, um für die kommenden Kämpfe „gerüstet“ zu sein. Das ist was die meisten hoffen. Auch die Israelis sind doch, soweit ich das mitbekomme und ich habe da natürlich und da bitte ich um Euer Verständnis, nicht den größten Einblick in die aktuelle Stimmungslage in der Bevölkerung, von der Grausamkeit in Gaza abgeschreckt. Abgeschreckt, nicht immer erschüttert oder von mir mit anderen Adjektiven zu beschreiben, die ein tiefes Mitgefühl implizieren. Gleichzeitig gibt es eine niemals zuvor so groß und aktiv dagewesene Kriegsgegnerschaft im Lande. Antikriegsdemonstrationen vor Allem in Tel Aviv finden größeren Anklang als gewohnt. Auch treten erstmals die Verweigerer des Dienstes an der Waffe in Erscheinung, die zuvor doch meist unsichtbar blieben. 
Ich traue mich nicht so recht die Frage nach dem aktuellen Stimmungsbild unter den Israelis zu beantworten. Ich kenne nicht viele Meinungen. Man fragt ja auch nicht jeden sofort nach seiner Haltung und mit allen aus meinem näheren israelischen Umfeld habe ich auch nicht darüber gesprochen. Was bei den Zitaten deutlich wird ist, dass oftmals die Fronten sehr verhärtet sind, es aber auch andere Beispiele gibt und man sich nicht selten von der Welt nicht richtig verstanden fühlt. In welchen Anteilen sich das auch immer auf die Bevölkerung verteilt. 
Mit der Darstellung in den ausländischen Medien haben sie im Endeffekt auch nicht unrecht. Die Frage ist nur, ob die Vorwürfe rechtens sind. 

Es sind auch in der „Waffenruhe“, dessen Ende zum jetzigen Krieg beitrug, Raketen auf grenznahe Städte in Israel geflogen. Die Regierung unternahm lange nichts dagegen. Das machte die Bevölkerung, besonders in den betroffenen Regionen wie den Städten Sderot und Ashkelon, sauer. Es ist für die meisten Israelis nun mal eine der wichtigsten Aufgaben ihrer Regierung, für ihre Sicherheit zu sorgen und das tat sie in diesem Falle nicht genug. Doch auch Israel soll während der letzten Waffenruhe nicht inaktiv gewesen sein. Eine der grundlegendsten Forderungen der Hamas zu diesem besagten Waffenstillstand haben sie nicht erfüllt, nämlich die Öffnung der Grenzen. Etwas anderes ist soweit ich weiß nie offiziell bestätigt worden, Mordkommandos, die so sagt man in Nacht- und Nebelaktionen Führungsmitglieder der Hamas getötet haben sollen. Darüber sprach ich letztens mit einer jungen Kollegin. Sie rechtfertigt diese Taten damit, dass die Hamas mit den Kassams eindeutig die Zivilbevölkerung angreift, was blanker Terror sei, die israelischen Operationen aber richteten sich lediglich gegen die Mitglieder einer Terrororganisation. 
Auch die Bevölkerung Gazas war nicht mit der aktuellen Situation zufrieden. Viele sahen das Eindringen israelischer Einheiten und vor allem die nichterfolgte Grenzöffnung als Versagen der Hamas an. Auch diese hat als Regierung für den Schutz und die Verbesserung der Situation der Bevölkerung Sorge zu tragen. Also auch die Hamas stand anlässlich der auslaufenden Waffenruhe unter Druck. 
Es ist schon was anderes diese Stimmen nicht aus den Medien, sondern von Freunden und Bekannten zu hören. Nie ist es mir in einem Konflikt so schwer gefallen Stellung zu beziehen. Entgegen vielen hiersiegen Vermutungen bedeutet meine Anwesenheit in Israel nämlich keine automatische proisraelische Haltung. Da muss ich mich dann doch das ein oder andere mal erklären
Manche von Euch möchte ich daran erinnern, wie leicht es ist in Europa zu sitzen und Pazifist zu sein. Die Frage ist, ob ein pazifistisches Israel überhaupt bestand hätte. Gerade deswegen existiert hier ja eine solch veränderte Wahrnehmung und Haltung. Nicht selten kam ich mit meinem Pazifismus in Israel schon zum wanken. Bis jetzt hat allerdings keiner der Regierungen ihrem Sorgetragen gerecht werden können und eine Verbesserung der Lage erreicht. Nach Israel flogen bis Sonntag nicht mehr nur aus dem Gaza wenige, sondern viele und auch aus dem Norden vereinzelt Raketen. Dazu kommt die wiedergekehrte Angst, dass der Terror wieder los gehen könnte. Schlimmere Konsequenzen hatte das Handeln der Hamas für die von ihnen regierte Bevölkerung. Über 1000 Tote und viele mehr Verletzte sprechen für sich. 
Das lässt einen nach kurzen Ausflügen dann doch wieder zum Pazifismus zurückkehren. 

Hoffnungsvolle Grüße,
Euer Julius

Mittwoch, 31. Dezember 2008

Liebe Leser,

Ich wünsche allen einen guten Rutsch und ein tolles neues Jahr.

Ich werde den größten Teil meines Folgenden hier in Israel verbringen. Es stehen Besuche aus Deutschland an, auf die ich mich sehr freue, aber auch sicherlich noch Vieles, was ich hier entdecken kann. Auch nehme ich mir für den Rest des Jahres vor eins oder mehrere Nachbarländer zu besuchen. Da wären Ägypten und Jordanien, aber auch die Westbank ist noch nicht ganz erkundet.

Zu Beginn habe ich mir in etwa bis hier hin eine Schonfrist gesetzt. Auf Arbeit hat sich alles so schnell und positiv entwickelt, dass diese Frist für diesen Bereich nicht annähernd galt, doch gibt es da andere Bereiche. Ich muss neben der Arbeit einfach noch mehr Zeit finden, die ich konstruktiv nutzen kann. Ob es nun eine durch Museumsbesuche oder der gleichen noch bessere Auseinandersetzung mit der Geschichte und Politik des Landes oder das Lernen von Hebräisch ist. Ein anderes Ziel ist es zudem noch, über die Arbeit hinaus Leute kennen zu lernen.

Mal schaun, ob ich das alles hinbekomme, aber man weiß ja wie das mit Vorsätzen ist. Ich habe allerdings auch noch 8 Monate hier, was eine ganze Menge ist.

Feiert schön, hierbei vor Allem die "Stufen" - Fete in Bislich zu nennen, bei der ich mir allerdings keine Sorgen mache und bleibt gesund,

Euer Julius

Sonntag, 28. Dezember 2008

Gegossenes Blei zu Weihnachten...

Nein, das ist kein neuer oder nur hier zu Lande üblicher Brauch zu Weihnachten, sondern der Name der aktuellen Militäraktion, die sich für mich genau an das Ende von Weihnachten anschloss und für die Juden das finale Fest der Chanukkafeierlichkeiten überschattet. Oder überschatten sollte...?! Bei mir in der Schule, die sicherlich nicht repräsentativ für die Bevölkerung ist, gab es heute zumindest zum Chanukkafest jede Menge gute Laune, wobei ich bei den Mitarbeitern auch nicht ganz einschätzen kann was davon gespielt ist, denn die Kinder verstehen das ja nicht und feiern einfach nur Chanukka. Teo allerdings berichtete von seiner Schule, die auch sonderpädagogisch ist, dass viele Mitarbeiter viel und intensiv Radionachrichten verfolgten. So richtig kann ich die Folgen der Kriegsszenarien im Gazastreifen auf das Gemüt und Verhalten der Israelischen Bevölkerung also noch nicht nennen. Ein israelischer Bekannter schrieb uns eine SMS, dass wir unbedingt auf Busfahrten verzichten sollen, was für uns allerdings kaum möglich ist und sofern ich den heutigen Busalltag richtig beobachtet habe, auch für viele Israelis nicht. Oder ist es ihnen einfach egal? Ich meine wenn  jemand Profi im Umgang mit Terrorgefahr ist, dann doch die Israelis. Und vielleicht ist ihr Ergebnis, dass man es sich einfach nicht leisten kann auf jede Terrorwarnung zu reagieren. Man kann sich ja auch nicht die ganze Zeit Angst einreden und zu Hause bleiben, wer weiß denn auch wie lange der Krieg in Gaza noch geht! Auch bei kleineren Warnungen habe ich ein solches Verhalten schon beobachtet. Als vor 4 Wochen aus welchem Grund auch immer ein erhöhtes Risiko für die Altstadt Jerusalems ausgerufen wurde, kam einen Tag später eine Arbeitskollegin auf mich zu und erzählte mir, dass sie doch gestern seit langem wieder in der Altstadt einkaufen war. Die Warnung interessierte dabei anscheinend nur hysterische Touristen, oder Leute wie mich, die Einkäufe und Besorgungen dann einfach zwei Tage später machen. Gerade erzählt eine Mitfreiwillige von einer Soldatin aus ihrem Projekt, einem Internatsdorf, das natürlich Soldaten zum Schutz hat. Sie hat sie angerufen, um zu erfahren ob sie verlegt wurde und ja so ist es. Sie wurde in ein Dorf in der Nähe von Sterot geschickt, um dort für geregelte Abläufe in den Bunkern und solche Dinge zu sorgen. In solchen Momenten rückt der Krieg dann doch schon nahe. Wenn man mit jemanden telefoniert, der quasi im Kriegsgebiet ist. Fest steht, dass es sich mit mehr als 270 Toten um die Blutigsten Tage im Nahen Osten seit 1967 handelt!

Da das aber erst am 27.12. passierte, hatte ich ein echt schönes Weihnachtsfest mit viel, viel gutem Essen und einer Menge Freunde, Wein, Bier und Party. Am 24. früh abends war ich zum ersten mal auf eigene Faust in der Westbank und zwar in Bethlehem. Dort war es "ganz nett" nicht mehr aber auch nicht weniger. Das Schönste war nicht die religiösen Geschehnisse zu sehen, sondern ein netter Zufall. So traf ich doch auf Morten, einem ehemaligen Freiwilligen von ASF, der jetzt für ein Jahr hier studiert und mit dem ich hier recht viel mache. Er hatte erst zwei Amerikaner angesprochen und dann als sie auf der Suche nach einem netten Kaffee scheitertern noch 4 Palästinenser im Gepäck, die bei der weiteren Suche helfen sollten. Sie führten uns dann nicht in ein klassisches Kaffee, sondern in eine Art Jugendtreff, der in einem Hinterhof war und trotz Plastikstühlen und kahlen Wänden irgenwie nett war. Die Jugendlichen waren jedenfalls sichtlich stolz drauf. Darin dann einen leckeren Kaffee und mit den Amerikanern und Morten zu uns in die Wohnung, da sie keine besonderen Pläne für den Heiligen Abend hatten. Außerdem waren drei Mitfreiwillige aus Haifa da und zwei aus Tel Aviv da und so war es ein netter und interessanter Abend. Am 25. dann ausschlafen und nachmittags offizielle Weihnukkafeier von ASF. Weihnukka ist wie Ihr Euch sicherlich denken könnt ein Mischwort aus Weihnachten und Chanukka. Es waren also Juden aus dem Freundeskreis von ASF anwesend und Christen und natürlich auch Nichtgläubige. Zusammen wurden  die Chanukkakerzen angezündet und Christstollen gegessen. Abends dann unser riesiges Weihnachtsmahl in der WG, welches dann noch für den rieseigen Brunch am 26. reichte und da wir allesamt für abends zum Essen bei einer Mitarbeiteren von ASF eingeladen waren, konnten wir sogar noch ein bisschen davon beim riesigen morgendlichen Mahl am 27.12. genießen, nachdem wir aus dem Club wieder da waren. Als wir dann gegen 14 00 Uhr aufstanden, lasen wir erstmals von den schrecklichen Geschehnissen in Gaza.

Was es jetzt so richtig für mich hier bedeutet weiß ich noch nicht. Die Hamas kündigte wieder die Entsendung von Selbstmordattentätern an, was natürlich ein bisschen Angst macht, andererseits merkt man ja davon so auf den Straßen nichts. Im Moment geht es mir zumindest gut und meinen Mitfreiwilligen größtenteils auch.

Liebe Grüße und Frohe Weihnachten wünscht Euch

Julius

Samstag, 6. Dezember 2008

Danke :)

Vielen Dank für die zahlreichen Glückwünsche. Ich bin sehr gut in mein einundzwanzigstes Lebensjahr reingerutscht. Am Donnerstagabend war ein cooles Konzert im „Yellow Submarine“, einem von der Jerusalem Foundation gegründeter Rockschuppen in Talpiot. Bin also bei leckerem Gitarrensound zwanzig geworden. Danach noch ein Bierchen in der Wohnung. Am nächsten Tag kamen dann über den Tag verteilt viele Gäste und es gab Kaffee und nachher eine satte Brotzeit. Nach ein bisschen Vorglühen ging es dann später in den Club, ins „Bass“. War also alles sehr schön und so bedanke ich mich natürlich auch bei den Gästen, die hier waren.

Bis denne,

Euer Julius